Warum Cobot-Projekte scheitern können

Planen Sie ein Cobot-Projekt? Dann sollten Sie wissen, was man tun muss, um nicht in einer Sackgasse zu landen. Leider muss man feststellen, dass in Betrieben auch Projekte umgesetzt werden, die nach kurzer Zeit nicht mehr genutzt werden. Wie kann es dazu kommen? Und: Wie kann man Rückschläge vermeiden oder für einen Neuanfang nutzen.

Leben mit Einschränkungen. Mit dieser Einstellung sollten Sie auf die Suche nach einer geeigneten Anwendung gehen. Denn es ist keineswegs so, dass Cobots traditionelle Industrieroboter eins zu eins ersetzen könnten. Für den sogenannten schutzzaunlosen Betrieb sind in den meisten Fällen Grenzen zu akzeptieren, so z.B. für Geschwindigkeit, Kraft, Druck, Masse und Bewegungsraum.

Geschwindigkeit

Verfügt ein Cobot-Roboter beispielsweise über eine maximale Arbeitsgeschwindigkeit am Tool-Center-Point (TCP) von 2000 mm/s, so heißt das nicht, dass Sie diese Geschwindigkeit im realen Betrieb auch nutzen können. Aufgrund der biomechanischen Grenzwerte nach ISO TS 15066 sind im Bereich des freien Anstoßens an den Körper meist nur Geschwindigkeiten bis 500 mm/s möglich. Im Klemmbereich, z.B. am Roboterwerkzeug je nach Scharfkantigkeit nur 250 mm/s oder weniger.

Kraft und Druck

Erlaubt die Cobot-Anlage im sogenannten schutzzaunlosen Betrieb das Eingreifen der Beschäftigten in den Arbeitsbereich oder ist ein zufälliges Anstoßen des Roboters an den Körper möglich, dann müssen die biomechanischen Grenzwerte nach ISO TS 15066 eingehalten werden. Dieser Punkt ist bereits bei der Auswahl der Applikation enorm wichtig. Denn muss z.B. ein Bauteil mit einer bestimmten Kraft oder einem Druck aufgenommen, abgelegt oder gefügt werden, die bereits höher als die biomechanischen Grenzwerte sind, so kann dies bereits das Aus bedeuten. Anwendungen, die ohne hohe Kraftübertagung vom Roboter auf die Umgebung auskommen, sind daher besser für Cobots geeignet, z.B. Auftragen von Kleberaupen oder visuelle Inspektionsaufgaben.

Masse und Gewicht

Beinhaltet die ausgewählte Applikation die Handhabung schwerer Bauteile, wird in der Regel nach einem Cobot-Roboter mit möglichst hoher Traglast gesucht. Ist damit aber schon alles in Ordnung? Große Massen beinhalten bei Bewegung leider auch hohe Schwingmassen. Bei einem Kontakt zwischen Mensch und Roboter müssen diese unter Einhaltung der biomechanischen Grenzwerte wieder zum Stillstand gebracht werden. Nach der Physik gilt E=(m/2)v²  . Und somit muss die Geschwindigkeit bei derartigen Anlagen in der Regel soweit reduziert werden, dass der Roboter nur noch in Schleichfahrt unterwegs ist. Ein für alle frustrierendes Szenario. Aus Erfahrung kann man sagen, dass bewegte Bauteilmassen jenseits der 10-kg-Marke häufig Probleme bereiten.

Räume

Wie auch bei traditionellen Industrierobotern ist das eigentliche Roboterprogramm nicht sicherheitsbewährt. Das heißt, es erfüllt keine Sicherheitskategorie, PL oder SIL. Daher gilt leider die Annahme, dass Personen in der Nähe der Roboteranlage auch mit unerwarteten Bewegungen rechnen müssen. Erst die Überlagerung einer vom Programm unabhängigen Sicherheitsunktion kann die Räume eingrenzen. Das ist zum Beispiel für besonders empfindliche Körperbereiche wie Kopf und Hals erforderlich.

Kollaboration oder Koexistenz

Bei kritischen Anwendungen wird gern darauf verwiesen, dass der Mensch ja eigentlich gar nicht so nah an den Cobot heran muss. Die sogenannte Koexistenz statt Kollaboration. Und die Frage steht im Raum, ob man es in einem solchen Fall vielleicht mit den biomechanischen Grenzwerten nach ISO TS 15066 nicht so genau nehmen muss. In der Risikobeurteilung der Cobot-Anlage muss man dazu, ob man will oder nicht, Farbe bekennen. Ein verklemmtes oder falsch abgelegtes Bauteil verleitet in der Regel den Bediener immer dazu, in den Werkzeugbereich einzugreifen. Aufgrund von Erfahrung kann man diesen Punkt nicht wegdiskutieren. Etwaige Klemm- oder Anstoßpunkte müssen deshalb als mögliche Kontaktpunkte in die Risikobeurteilung einfließen.

Henry Ford: „Scheitern ist einfach nur eine Möglichkeit, es nochmals zu versuchen. Dann aber intelligenter“

Geplante Anwendungen, welche ohne vorherige Erfahrungen von vorn herein auf Erfolg oder womöglich auf einen bestimmten Return of Invest (ROI) fokussieren, bergen ein hohes Risiko. Zum einen wirtschaftlich aber zum anderen auch für die Sicherheit der Beschäftigten. Entspricht die Anlage am Ende nicht den Sicherheitsvorschriften, muss sie womöglich stillgelegt oder kostspielig nachgerüstet werden.

Wird eine Cobot-Anlage jedoch beschafft, um die neue Technologie im eigenen Betrieb kennenzulernen, dann sind die Erwartungen an einen späteren Einsatz in der Produktion sicher nicht ganz so hoch. Man erhofft sich neue Erkenntnisse und kann diese womöglich in einem zweiten Projekt erfolgreich umsetzen..

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