Industrieroboter erhalten oft ein zweites Leben. Denn aufgrund veränderter Produktionsanforderungen werden Industrieroboteranlagen oft schon einige Jahre nach Erstinbetriebnahme umgebaut oder demontiert. Die vorhandenen Roboter werden dabei meistens nicht verschrottet. Denn aufgrund ihres hohen Wertes und wegen der hohen Flexibilität (Programm, Bewegungsraum, Werkzeuge) erwartet sie meistens eine Wiederverwendung in einer anderen oder sogar neuen Anlage. Gleichzeitig verpflichtet das Kreislaufwirtschaftsgesetz zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen.

Dabei stellt sich die Frage: Können gebrauchte Industrieroboter bei Wiederverwendung die dann geltenden Anforderungen erfüllen?
Tabelle: Inverkehrbringen gebrauchter Industrieroboter und deren Teile (Praxisbeispiele, vereinfacht)
Praxisbeispiel | Sicherheitsrelevante Anforderungen an | Rechts-grundlagen | ||
Inverkehrbringer des Gebrauchtteils | Verantwortlicher Einbauer des Gebrauchtteiles | Neues CE-Zeichen | ||
A) Gebrauchter Roboter wird zerlegt, Einzelteile werden als Ersatzteile wieder in Verkehr gebracht | Bereitstellung von sicherheitsrelevanten Informationen soweit erforderlich* | Sicherheitsrelevante Dokumentation des Austauschs. Je nach Art und Umfang des Austauschs Gefährdungsbeurteilung, Sicht- und Funktionsprüfung | Nein | Produkt-sicherheits-gesetz (ProdSG), Betriebs-sicherheits-verordnung (BetrSichV), TRBS 1201 |
B) Gebrauchter Roboter wird in eine Bestandsanlage eingebaut z.B. als Austausch gegen einen baugleichen defekten Roboter | Bereitstellung der für die sichere Wiederverwendung notwendigen Informationen, z.B. Originalunterlagen | Sicherheitsrelevante Dokumentation des Austauschs, Gefährdungsbeurteilung, Sicht- und Funktionsprüfung | Nein | |
C) Gebrauchter Roboter wird in eine Neuanlage eingebaut | Bereitstellung der für die sichere Wiederverwendung notwendigen Informationen, z.B. Originalunterlagen | EG-Konformitätsbewertung durchführen, Dokumente erstellen, z.B. EG-Konformitätserklärung CE-Zeichen Typenschild Techn. Dokumentation mit Risikobeurteilung | Ja, für die neue Anlage | EG-Maschinen-richtlinie, DIN EN ISO 10218 Teil 1 und Teil 2 |
*Für viele Einzelkomponenten sind Originalunterlagen auch mehrere Jahre nach erstmaligem Verbau noch öffentlich zugänglich, z.B. Download von Originalunterlagen beim Hersteller von Steuerungskomponenten
Besonders der in Tabelle genannte Fall C stellt die Anlagenbauer vor Herausforderungen. Denn für neue Anlagen gelten die aktuellen Vorschriften und Normen. Das gilt auch dann, wenn gebrauchte Komponenten verbaut wurden. Dabei sind die EG-Richtlinien und EU-Verordnungen bindend. Hinsichtlich Einhaltung der Normen bieten sich dem Inverkehrbringer jedoch gewisse Freiheitsgrade. Die für Industrieroboter geltenden Normen DIN EN ISO 10218-1 und DIN EN ISO 10218-2 haben durch Listung im Amtsblatt der EU einen hohen Stellenwert. Der Inverkehrbringer darf aber aufgrund seiner Risikobeurteilung davon abweichen. Wie in den VMBG-Mitteilungen Heft 4-2009 ausgeführt, ist es beispielsweise möglich, einen gebrauchten Industrieroboter mit redundanter Sicherheitssteuerung in einer neuen Anlage zu verbauen. Auch wenn die aktuell geforderte Berechnung des PL aufgrund fehlender Daten nicht mehr möglich ist. In dieser Weise können auch andere Aspekte einer neuen Norm ausgeschlossen werden. Wichtig ist, dass die Abweichungen durch Risikobeurteilung begründet sind und dass die Anlage weiterhin sicher ist. Des Weiteren müssen die Abweichungen gegenüber dem verantwortlichen Einbauer transparent dokumentiert sein. In jedem Fall müssen die Anforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt werden.
In Bezug auf Cybersecurity ist es nicht so einfach, diese Anforderungen durch Risikobeurteilung und Dokumentation auszuschließen. Denn Schutzmaßnahmen gegen Cyber-Bedrohungen werden nicht nur in der neuen Norm EN ISO 10218-1:2025 gefordert. Auch die neue Maschinenverordnung EU 1230 und der sogenannte Cyber Resiliance Act (CRA) fordern entsprechende Schutzmaßnahmen